Folge 20
Aus U.S.S. Friendship
Autor: Robert Michael Grey
Titel: Folge 20
der rotgekleidete Ferengi in der Mitte der Brücke des Ferengifrachters unschuldig von sich. Sein Blick zeigte Erstaunen. Wer aber in der Vergangenheit bereits einmal mit dieser Rasse zu tun hatte, liess sich davon nicht täuschen. So auch Sicherheitschef Robert M. Grey.
"Red du nur", dachte er bei sich. Niemals würde er vergessen, wie ihn die drei Ferengi damals auf Seto Prime ausgenommen hatten - buchstäblich bis aufs letzte Hemd. Das war während einer seiner ersten Reisen auf der U.S.S. Lexington, als er noch ein unerfahrener, junger Fähnrich war, der sich oft genug selbst überschätzt hatte. Und so dachte er, dass für ihn diese kleinen Ferengi keine echte Herausforderung waren. Wie hatte er sich geirrt.
Ein Blick zu den anderen Anwesenden auf der Brücke der Friendship bestätigte seine Vermutung, dass er bei weitem nicht der einzige war, der diesen grossohrigen Gaunern nicht über den Weg traute.
Captain Leong offensichtlich auch nicht. "Wir haben ihren Aktivitäten beobachtet. Wir wissen, dass sie Waren vom Frachthafen auf ihre Schiff gebeamt haben." Er wartete einen Moment lang auf die Reaktion des Ferengi auf dem Hauptbildschirm, der noch etwas mehr Erstaunen in seinen Blick legte, zu einem verständnislosen Kopfschütteln anlegte und dabei beide Arme mit offenen Handflächen seitwärs von sich streckte, als wollte er damit demonstrieren, dass er tatsächlich nichts einsteckt hatte.
"Es muss sich hier um ein grosses Missverständis handeln, Captain. Wir sind lediglich dabei, Personen zu bergen..." Viel weiter kam er nicht, denn der Ops-Offizier unterbrach des Gespräch der beiden: "Sir, die Behörden von Cala IV melden, dass sie dringend Hilfe bei der Evakuierung von einer Gruppe Siedlern auf einer der grösseren Inseln benötigen. Sie wurde nicht komplett überschwemmt, aber die Berge bieten vermutlich nur noch für eine kurze Zeit Schutz. Es sind viele Verletzte darunter." Der Captain der Friendship wurde sofort wieder klar, dass die Lage immer noch äusserst ernst war und sie keine weitere Zeit mit diesem Ferengi zu verschwenden hatten.
"Sir", meldete sich Robert von seiner Station, "mit ihrer Erlaubnis, werde ich mich um diesen Kerle kümmern." Leong war sich zwar nicht sicher, was sein Sicherheitschef vorhatte, aber in der jetzigen Situation würde beinahe jedes Mittel recht sein. Hauptsache, sie würden keine weitere Zeit verlieren.
Der Ferengi hatte natürlich alles mitbekommen, doch bevor er grossartig reagieren konnte und gerade sowas wie ein "Aber..." von sich gab, verschwand er in einem blauen Transporterstrahl. Nachdem Robert einige Tasten gedrückt hatte, drehte er sich um, wo der Ferengi einen Schritt von ihm entfernt gerade rematerialiserte wurde. Bevor dieser überhaupt realisieren konnte, wo er war, packte ihn Robert schon am Kragen und hob ihn etwas vom Boden ab, so dass er nach Halt suchend mit den Beinen in der Luft strampelte.
"Wir haben keine Zeit für diese Spielchen, Mister!" herrschte ihn der um zwei Köpfe grössere und auch wesentlich breiter gebaute Sternenflottenoffizier an. "Sie geben nun augenblicklich die gestohlene Fracht zurück und beteiligen sich an der Rettung oder ich werde ihren Frachter beschlagnahmen, sie persönlich aus der Luftschleuse werfen und ihre Crew kann zu Fuss nach Hause gehen." Der Ferengi wollte etwas erwidern, aber der Kragen seiner eleganten Kleidung zog sich so eng um seinen gierigen Hals zusammen, dass er nur ein unverständliches Krächzen von sich geben konnte. "Haben wir uns verstanden?" wollte Robert noch immer in lautem Tonfall wissen, während die restliche Brückenbesatzung diesem Schauspiel teilweise erstaunt, aber auch teilweise mit einem Grinsen auf dem Gesicht beiwohnte.
Der Ferengi wollte etwas darauf antworten, aber die Luft schien ihm bedrohlich auszugehen und unter einigem Gestöhne begann er wild mit dem Kopf zu nicken - soweit ihm dies zumindest noch möglich war. Wie auf Kommando liess in Robert los und sah, wie der Ferengi letztendlich mit dem Hintern hart auf dem Boden der Brücke aufschlug, nachdem ihn seine Beine nicht getragen hatten. Verstört und mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er sich daraufhin wieder aufzurichten, während der Sicherheitschef ihm einen Schritt entgegentrat, aber keine Anstalten machte ihm zu helfen, stattdessen aber dem Captain zunickte, um ihm zu bestätigen, dass er die Situation nun unter Kontrolle hatte.
Shiong-Soon Legon wusste nicht recht, was er von dieser Methode halten sollte, aber er begann sich sogleich wieder auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren und liess die Verbindung zum Ferengi-Schiff abbrechen. Kollektiv verdatterte Blicke der restlichen Brückencrew der Frachtdiebe war das Letzte, was er noch sah, bevor er den Ruf der Behörden entgegennahm.
Im Hintergrund hatte sich der Ferengi inzwischen wieder aufgerappelt; die Unschuldsmiene war schon lange aus seinem Gesicht verschwunden. Robert packte ihn unsanft am Arm und zog ihn hinüber in die Beobachtungslounge, schliesslich wollte er die Crew nicht länger ablenken.
Kaum hatte sich die Tür hinter den bleiden geschlossen, drückte er den Ferengi in einen Stuhl, während er selber nur einen Schritt vor ihm stehenblieb. Der Frachtercaptain musste deshalb noch steiler zu ihm aufblicken, als er dies stehend hätte tun müssen. "Ich werde alles machen, was sie wollen, nur tun sie mir bitte nichts!" flehte er. Robert grinste innerlich: Über Subraum hatten sie eine grosse Klappe, aber wenn sie vor einen Standen und man nicht schon etwas angetrunken war, wie er damals auf Seto Prime, waren sie äusserst hilfsbereit und schon beinahe liebenswürdig.
Natürlich hatte er nicht vor, ihm etwas anzutun. Nicht nur, dass er als Sternenflottenoffizier gewissen Prinzipien unterworfen war - es lag auch nicht in seiner Natur, wehrlosen und unterlegenen Gegnern Schaden zuzufügen. Der Ferengi hatte seine Lektion für den Moment sicherlich gelernt und er würde es dabei belassen. Jedenfalls fast.
"Ich werde den versuchten Diebstahl der Föderation und der Ferengi-Allianz melden. Das alles wird für sie sicherlich ein Nachspiel haben", gab er dem Ferengi nun wieder in gelassenem Tonfall die Konsequenzen seiner Tat zu verstehen. "Nein, bitte nur das nicht. Man nimmt mir sonst diese profitable Handelsstrecke weg und ich wäre damit erledigt!" Robert überlegte einen Moment. "Was sollte den Captain oder mich davon abhalten?" fragte er dann nach. Er wusste selbst zwar keine Antwort darauf, aber er konnte die Frage ja einmal in den Raum stellen. "Ich habe vielleicht Informationen für sie." "Und was für Informationen sind das?" gab sich Robert zurückhaltend. Ein verängstigter Ferengi war nicht unbedingt ein ehrlicherer Ferengi.
"Vor vier Tagen sind wir in der Nähe des Gantt-Systems einem Breenschiff begegnet. Ich hatte mich noch gewundert, auf dieser Seite der Grenze einem ihrer Zerstörer zu begegenen. Jedenfalls sass ich am Abend darauf in der Bar eines Handelsaussenposten in der Nähe von ein paar Lenarianern. Sie diskutierten über einen Breen-Zerstörer, den sie an diesem Tag beobachtet hatten. Offensichtlich hatte es grössere Geschosse ähnlich Torpedos in Richtung eines Neutronensterns abgegeben, worauf sich die Struktur des Sterns erheblich verändert hatte. Vielleicht eine neue Waffe der Breen", berichtete der Ferengi eifrig, um vielleicht einer Strafe doch noch irgendwie zu entgehen. "Stehen die Sensorendaten des Breenschiffs noch zur Verfügung", wollte der Commander darauhin wissen, was ihm der Ferengi sofort bestätigte. "Rufen sie ihr Schiff und lassen sie diese Daten auf die Friendship übermitteln", wies Robert den Ferengi an. "Lassen sie mich dann gehen?" Robert blickte ihn nur finster an. Vermutlich stimmte die 25. Erwerbsregel; Angst war ein guter Geschäftspartner.
"Herein", rief Captain Leong, der in seinem Bereitschaftsraum an einigen Lageberichten arbeitete. Sein Erster Offizier gefolgt vom Sicherheitschef traten ein. "Wir haben soeben die letzten Personen aus den kritischsten Gebieten evakuiert", meldete Mac ihrem Vorgesetzten. Sie war sichtlich müde - auch wenn sie nicht viel Schlaf benötigte, war sie nun bereits anderthalb Tage auf den Beinen und fast die ganze Zeit davon im Einsatz gewesen. Ausserdem hatte sie in den letzten Stunden nebenbei zusammen mit T'Pel und Robert Grey einige Daten analysiert und dabei durchaus beunruhigende Entdeckungen gemacht.
Roberts Vermutungen nach dem Gespräch mit dem Ferengi hatten sich bestätigt. Das Schiff, dem der Ferengi vor einigen Tagen begegnet war, war mit dem Breenschiff, das sie zusammen mit der Alamagest im Rhombus-Nebel verfolgt hatten und das höchstwahrscheinlich in die Zerstörung des Shuttles Darling bei Merica verwickelt war, absolut identisch.
"Und sie sind sich absolut sicher?" meinte Leong, nachdem er ihren Bericht gehört und das PADD, welches sie ihm vorgelegt hatten mit seiner gewöhnlich überlegten Art aufmerksam studiert hatte.
"Es gibt keinen Zweifel", erwiderte Shane MacKenzie, "T'Pel und ich haben die Daten mehrfach verglichen. Exakt dieselbe Konfiguration." Leong legte das PADD vor sich auf den Tisch, nachdem er mit einem kurzen Blick einen freien Platz darauf ausgemacht hatte.
"Und es dürfte wohl kein Zufall sein, dass es ausgerechnet in die Richtung unterwegs war, aus der vermutlich die Gravitations-Repulsion kam", ergänzte Robert, auch wenn er sich sicher war, dass die beiden anderen das gleiche dachten.
"Gibt es schon einen Verdacht, was die Breen oder wer auch immer dieses Schiff befehligt, damit beabsichtigte - sofern es wirklich für das Erzeugen der Repulsion verantwortlich war?" fragte Leong nach dem Motiv. "Dies ist derzeit noch Gegenstand unserer Untersuchungen. Da wir nicht sicher sind, um wen es sich handelt, sind die Absichten schwer einzuschätzen." Der Malaye nickte. "Gute Arbeit bis dahin." Während sich seine beiden Offiziere für diese Worte bedankten, blickte er ruhig von einer zum anderen um dann zu ergänzen: "Da wir die Lage hier unter Kontrolle gebracht haben, sollten sie sich eine Pause gönnen. Vielleicht hören sie ja im Gegensatz zu Commander Edan auf mich." Dabei schmunzelte er leicht. Sobald er die Schreibarbeiten hinter sich gebracht hatte, würde er dies ebenfalls tun.
"Gute Arbeit mit dem Ferengi übrigens, Commander", grinste Fähnrich Tates, die sich eben zum Sicherheitschef, sowie seinem Stellvertreter an einem Tisch des Starlights gesetzt hatte, "wie ich gehört habe, hatte er daraufhin unermüdlich bei der Evakuierung mitgeholfen." Robert war sich nicht sicher, wie diese Geschichte die Brücke verlassen hatte - obwohl, eigentlich doch. Ops-Offizier Andrade war sehr gesprächig, besonders wenn es Frauen zu beeindrucken galt. Und Geschichten von vorderster Front auf der Brücke hatten für viele Crewmitglieder einen Seltenheitswert, so dass sie gerne gehört und auch gerne weitererzählt wurden.
"Der Völkerverständigung hat es nicht gerade gedient. Aber wenn Leben auf dem Spiel stehen, muss man auch mal zu anderen Methoden greifen. Ich möchte aber nicht, dass dies hier Schule macht", gab sich der leidenschaftliche Klavierspieler zurückhaltend. Es war keine ruhmvolle Aktion gewesen und bestimmt auch nichts, was er bei einer Flasche saurianischen Brandys einem Gesprächspartner erzählen würde. Nicht nur war der Ferengi ihm hoffnungslos unterlegen gewesen, es war eben auch keine besondere Geschichte. Da gab es wesentlich spannenderes, was er aus seinem Leben erzählen konnte.
Der Commander drückte sein Kreuz durch und schob den Stuhl nach hinten. "In einer halben Minute habe ich Besprechung und muss mich noch etwas vorbereiten. Wir sehen uns später."
"Die Minister von Cala IV möchten sich für ihre herausragende Arbeit bedanken, leider war keiner von ihnen Abkömmlich, da sie im Moment alle Hände voll zu tun haben. Deshalb können sie ihren Dank nicht persönlich überbringen. Sie hoffen jedoch, dass sie in absehbarer Zeit eine Einladung an die gesamte Crew richten können, sobald sich ihre Lage einigermassen normalisiert hat", übermittelte der Captain die Grüsse der Cala'anischen Behörden.
Er blickte für einen Moment ins Gesicht jedes einzelnen der Runde, als wollte er sicherstellen, dass keine Fremden darunter sassen. "Ich möchte, dass die folgenden Informationen streng vertraulich behandelt werden. Die Sternenflotte hat mich darum gebeten, diese Informationen nicht weiterzugeben. Da aber einige von ihnen massgeblich an deren Beschaffung beteiligt waren, möchte ich, dass sie alle darüber informiert sind. Ich möchte hierfür das Wort an Commander Maverick und Lt. Commander Grey geben." Der Captain setzt sich hin, während die beiden angesprochenen Personen sich von ihren Sitzen erhoben und um den Tisch herumliefen.
Sorgsam hatten sie die Daten zusammengetragen, die nun in der Hand der Sternenflotte für weitere Untersuchungen lagen. Viele Dinge lagen im Dunkeln, aber um Licht in die Sache zu beginnen, musste man irgendwo einmal ein Streichholz anzünden. Sie hatten die genaue Bahn der Gravitations-Replusion berechnet und ein mögliches Angriffsziel der Welle ausgemacht.
"Eine Breen-Werft?", äusserte sich Savvy N'Daye erstaunt. "Nicht irgendeine Werft, Lieutenant. Es handelt sich dabei um die grösste planetare Werft der Breen in dieser Gegend. Ausserdem befinden sich viele der gelagerten Werkstoffe auf diesem Planeten, um damit auch die umliegenden Fabrikationsanlagen zu versorgen. Sie ist schwer bewacht, aber vermutlich nicht in der Lage, eine Gravitations-Repulsion aufzuhalten", beantworte Mac die Frage des Chefingenieurs.
"Ich weiss, was sie sich jetzt denken: Ist das nicht etwas zuviel Spekulation? Ein Breen-Schiff, das die Grenze überquert, um auf unbekannte Art und Weise eine Gravitations-Welle zu erzeugen, die eine Schiffswerft zerstört?" meinte Robert, als er die fragenden Gesichter der anderen sah. "Ich möchte die Frage beantworten: Es _ist_ Spekulation. Es gibt nur Indizien, keine Beweise. Aber wenn man einige Berichte der letzer Zeit hinzuzieht und es als Ganzes betrachtet, scheint alles nicht mehr so absurd. Die momentane Stille der Breen und die Beobachtung bereits vor einigen Monaten, dass sie einen Grossteil der in grenznähe stationierten Truppen abgezogen haben, legt den Verdacht nahe, dass sich die Breen in einem Konflikt befinden, der ihre gesamte Aufmerksamkeit erfodert. Gerüchten nach zu urteilen, gibt es schon seit einiger Zeit Geheimdienstberichte, die darauf hinweisen, dass die Breen schon seit über zwei Jahren in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Mit wem genau ist nicht bekannt, da dieser fernab der Föderationsgebiete stattfindet. Aber wie wir nun feststellen musste, operiert diese Kraft vermutlich schon seit einiger Zeit weit hinter der Front um in erster Linie den Nachschub an Material und Kräften zu unterbinden. So wurden im angrenzenden Sektor von unseren grenznahen Phalanxen mehrere zerstörte Breen-Transporter ausgemacht. Aber auch der Vorfall in den Kolonien von Adraxia würde ins Bild passen, da die Breen wichtige Rohstoffe wie Bilitrium, Tritonium und Kormalin aus den Kolonien beziehen. Eventuelle hätte die richtige Person an richtiger Stelle genau diese Lieferungen verhindern sollen. Spekulation wie gesagt, aber immer mehr deutet darauf hin."
Die Anwesenden in der Beobachtungslounge waren für einige Sekunden still, bevor eine angeregte Diskussion enstand.
Es war spät, als Robert sein Quartier betrat. Er schaute erst nach Tara und Eric die friedlich in ihren Betten lagen, bevor er sich vor ein Fenster seines Raums stellte. Die Friendship hatte inzwischen ihre Kartographierungsmission wieder aufgenommen und das Bordleben normalisierte sich nach der Rettungsmission nach und nach wieder. Aber die neuen Erkenntnisse um die Breen beunruhigten ihn sehr. Er hoffte, dass sie sich in ihrer Schlussfolgerung irrten. Er wusste, dass Dinge, die zunächst weit entfernt schienen, die Angewohnheit hatten, schneller näher zu kommen, als man dies erwartete. Die Sternenflotte würde ihn Zukunft ein besonderes Augenmerk auf die Situation der
Breen haben - man musste auf alles vorbereitet sein.