Folge 11
Aus U.S.S. Friendship
Autor: Robert Michael Grey
Titel: Sternenflottenoffizier, Vater, Musiker
Sofort ging er wieder in Deckung. Einige Energiestösse zischten knapp über die halbhohe Deckung, hinter der sich die kleine Gruppe befand. Mit einigen Handzeichen wies er die beiden Kameraden an, sich nach rechts zu bewegen, während er sich selbst einen halben Meter auf die andere Seite verschob. Dann wartete er einen kurzen Augenblick auf dem Rücken liegend, sein Phasergewehr fest an den Körper gepresst, um dann eine weitere halbe Rolle nach links zu machen, sich kurz hinter den schützenden Trümmern zu erheben und dann erneut eine Salve in Richtung des Gegners abzufeuern. Die beiden anderen kauerten am seitlichen Rande der Deckung, auf eine Gelegenheit wartend, die schützende Zone einige Meter rechts von ihnen zu erreichen. Mit den Fingern herunterzählend zeigte er ihnen an, dass er gleich das Feuer eröffnen und die Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, um ihnen die Verschiebung zu ermöglichen. Als seine linke Hand wieder eine Faust bildete, erhob er sich wieder aus der Deckung, um diesmal einige Sekunden länger als eben vorhin auf die andere Seite der Strasse zu schiessen. Die beiden anderen rannten los, doch er konnte es dem Augenwinkel erkennen, dass eine der beiden Personen zu Boden fiel, während die andere sich mit einem Hechtsprung hinter ein schützendes Gebäude rettete. Gerade als er wieder in Deckung gehen wollte, hörte er hinter sich ein Geräusch und da war es auch schon zu spät. Getroffen liess er sich auf den Boden fallen. Einige Augenblicke später war die vertraute Computerstimme zu hören: "Team Blau gewinnt."
Sofort begannen überall in der Nähe der tristen Umbgebung Leute, die eben noch regungslos am Boden gelegen hatten, aufzustehen und ihre Uniformen auszuklopfen. Auch Robert Grey nahm des Gewehr wieder in die Hand, um sich wie alle anderen hin zu einem Platz inmitten der Gebäude zu begeben, wo sich schon einige Leute um eine Wand versammelt hatten, auf der die Ergebnisse angezeigt wurden. Andere hatten sich hingesetzt, um mit einer Getränkeflasche ihren Durst zu stillen, der sich durch die Anstrengungen bei diesem Klima unweigerlich einstellen musste. Robs Blick fiel hinüber zu einem der Männer, der sein Phasergewehr an die Wand gestellt hatte und sich gerade von seiner Sensorenweste befreite.
"Wo war unsere linke Flanke, Ramakers?" rief er mit etwas zornigem Unterton zum Mann in der goldenen Uniform hinüber. Der schien etwas überrascht, aber sich seiner Schuld wohl voll bewusst und nach einer Erklärung suchend. "Sie hatten uns überrascht...", viel weiter kam er nicht, dann Grey winkte ab - er wollte es lieber nicht wissen. 19 zu 8 Punkte lautete das klare Verdikt gegen sein Team. Er ärgerte sich nicht, dass sie verloren hatten. Das Sicherheitspersonal der Sternenbasis trainierte mehrmals wöchentlich solche Szenarien, während seine Leute als Crewmitglieder eines Raumschiffs ein wesentlich bereiteres Spektrum an Fähigkeiten abdecken mussten und es nicht nur um den alleinigen Umgang mit Phasergewehren oder um strategisches Kampfverhalten ging. Aber ihn ärgerte, wenn er das Gefühl hatte, dass nicht alle völligen Einsatz gaben oder nicht ganz bei der Sache waren. Und schon bei der letzten Runde schien Ramakers noch nicht ganz bei der Übung angekommen zu sein und hatte mit seinen Leuten wohl nicht das Optimum herausgeholt. Die Manöverkritik war jedoch erst für den morgigen Tag angesetzt, bis dahin würde sich sein Ärger vielleicht wieder legen. Wahrscheinlich verlor er doch nicht gerne.
Er klopfte der jungen Frau neben sich anerkennend auf die Schulter. "Drei Treffer, Fähnrich", meinte er stolz, "sie mausern sich langsam zur Scharfschützin. Gute Arbeit." Marina Tates ernster Blick wich einem Lächeln. "Danke, Sir. Darf ich erwähnen, dass ich sie diesmal sogar geschlagen habe?" Tatsächlich lag sie nach den beiden Runden vor ihm. "Der alte Mann zieht vor ihnen den Hut, falls er einen hätte", erwiderte er während sie sich zu den anderen des Teams setzten, die sich in der Nähe gesammelt hatten, um sich während der Pause etwas von den Strapazen zu erholen.
"Sie haben nicht zufällig etwas damit zu tun, dass sich einige der Besten der Sternenbasis im blauen Team befinden, Commander?" versuchte Lt. Ordaz den Grund für die klare Niederlage zu erforschen. Dabei machte er mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung einiger besonders stämmiger Personen, die sich nicht weit von ihnen ebenfalls auf den staubigen Boden gesetzt hatten. Der Sicherheitschef der Friendship schnitzte inzwischen mit seinem Messer auf einem Stück Holz herum, das er neben sich gefunden hatte. "Ich habe dem Ausbildungschef lediglich gesagt, dass wir Herausforderungen gerne annehmen. Und was heisst 'Besten'?", er legte das Stück Holz neben sich hin und blickte dann ebenfalls zur angesprochenen Gruppe.
"Gillam!" rief er hinüber. Einer wandte daraufhin den Kopf in ihre Richtung. "Interesse, auf die Friendship zu wechseln?" fügte er hinzu. Der andere schüttelte lediglich leicht mit dem Kopf, und machte mit einer Hand eine schwenkende Handbewegung, um sich dann ohne ein Wort wieder seinen Kameraden zuzuwenden. "Der einzige Sternenflottenoffizier den ich kenne, dem auf Schiffen immer schlecht wird", grinste er. Er kannte ihn von einer Offensivaktion während des Dominionkriegs; das Universum war manchmal klein. "Wenn ich einen Moment denken würde, dass dies die Besten sind, dann würden sie dort drüben sitzen und die hier. Gut mit dem Phasergewehr umgehen zu können ist eine Sache, aber es ersetzt nicht die breitgefächerten Fähigkeiten, die sie besitzen. Kombinieren sie beides und sie gehören definitiv zu den Besten."
"Alles sammeln, wir starten eine neue Übung in fünf Minuten", war von einem der Ausbilder zu vernehmen, der sich in die Mitte des Platzes gestellt hatte. "Lt. Ordaz, sie haben das Kommando. Ich habe noch einige Reporte durchzusehen", befahl Commander Grey seinem Stellvertreter. "Holen sie 12 Punkte und zeigen sie denen, wer wirklich die Besten sind", meinte er noch schmunzelnd, bevor er das Übungsdeck - was eine grosse holografische Anlage im Modul F von Sternenbasis 129 war - verliess.
Er liess die Sicherheitsabteilung der Friendship so oft wie möglich mit dem Stationspersonal trainieren, da sie hier am meisten lernen konnten. Neben erfahrenen Ausbildern waren auch Soldaten, sowie Spezialeinheiten an Bord der Station und da seine Leute während des Aufenthaltes auf der Sternenbasis fast ausschliesslich Ausbildung betrieben, war es nur sinnvoll, dies in Zusammenarbeit mit der Station und den Sicherheitscrews der anderen Schiffe zu tun. Ein wichtiger Nebeneffekt war auch, dass sie sich untereinander etwas kennenlernen konnten, denn es war sehr wahrscheinlich, dass zukünftige Mission eine Zusammenarbeit erforderlich machten. Es von Vorteil, wenn man dies nicht mit komplett fremden Personen tat.
Rob legte sehr viel Wert auf eine gute Kampfausbildung. Gefährliche Situation waren für eine Schiffscrew besonders am Rande des Föderationsgebiets allgegenwärtig. Er konnte diese Gegebenheiten nicht verhindern, aber er konnte dafür sorgen, dass die Crew bestmöglichst vorbereitet und den Herausforderungen gewachsen war. Während des Dominionkrieges hatte er zuviel Sternenflottenpersonal gesehen, das unter Druck falsch reagiert hatte und oft mit dem Leben dafür bezahlen musste.
Während er sich noch gedanklich mit der soeben absolvierten Übung auseinandersetzte, begab sich zum nächsten Transporterraum, um sich auf die Friendship zurückzubeamen.
22.07.2387, 12:03 Uhr Stationszeit.
"Für mich ebenfalls das Tagesmenü", erwiderte Robert auf die Frage von Felina Isaac, der andorianischen Barkeeperin des Starlights. Selbst während die U.S.S. Friendship bei Sternenbasis 129 quasi vor Anker lag, zog er es vor, die Mittagszeit in der Schiffsbar zu verbringen. Es war immer eine ideale Gelegenheit, die Besatzung etwas zu beobachten und das eine oder andere Crewmitglied etwas näher kennenzulernen. So setzte er sich selten alleine an einen Tisch, sondern suchte sich in der Regel einen Tisch, an dem bereits jemand sass, falls er nicht gerade wie heute mit Mitgliedern seines Teams zum Essen kam.
"Wenn sie so weitermachen, dann sind sie bei der nächsten Aussenmission mit dabei", wandte er sich wieder an Fähnrich Tates, die von der morgentlichen Übung sichtlich Hunger gekriegt hatte. "Was steht für heute Nachmittag an?" fragte er Darrin Ordaz, der direkt neben ihr sass und offenbar noch nicht dazu gekommen war, seine Uniform zu wechseln. Sie war dreckig und ein langer Riss zog sich dem linken Ärmel entlang. "Commander Soto hatte angeboten, eine Führung durch die Reparaturdocks der Station zu machen. Ich denke, die Leute haben sich einen ruhigen Nachmittag verdient." Robert war einverstanden. Falls es die Zeit zuliess, würde er sich diesem Vorhaben anschliessen. Er hatte zwar schon einiges von der Station gesehen, aber die Docks waren im untersten Teil und deshalb kam man dort nicht einfach mal so vorbei.
Die Tür der Schiffsbar öffnete sich und ein dunkelhäutiger Mann in goldener Uniform betrat den grossen, hellen Raum. Roberts Blick begleitete in auf seinem Weg an die Bar und dann zu einem der Tische. Er war sich noch nicht sicher, was er von Savvy N'Daye halten sollte. Der erste Eindruck war etwas durchzogen, besonders nach der neulichen Aktion mit der Sensorenmanipulation. Der Afrikaner war zweifelsohne ein brillianter Ingenieur, aber "Demonstrationen" dieser Art würde er zukünftig rechtzeitig bekanntgeben und seine Führungsfähigkeiten erst noch beweisen müssen. Es war natürlich zu Rob durchgedrungen, dass in der Abteilung von Savvy unüblich lockere Umgangsformen herrschten, vielleicht etwas zu locker. Natürlich war Rob sich bewusst, dass Techniker für ihre Arbeit eine etwas andere Atmosphäre benötigten, als dies für ein reibungsloses Funktionieren einer Sicherheitsabteilung der Fall war. Schliesslich war er mit einem technikbegeisterten, jüngeren Bruder aufgewachsen. Aber er würde ihn weiter beobachten, wie dies sicherlich auch Captain Leong und Commander Maverick taten. Unangekündigte Vorstellungen mochten vielleicht auf Schiffswerften üblich sein. Aber hier draussen hatten sie nichts verloren, wenn es nach Robert ging. Einmal ein Schiff zu verlieren, reichte ihm fürs Leben.
"Robert?" wurde er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Er hatte nicht bemerkt, dass Felina inzwischen mit einem herrlich duftenden Teller neben ihn getreten war. "Alles in Ordnung?" wollte die blauhäutige Frau wissen. Er löste sich von seinen Gedanken. "In dieser Gesellschaft und mit diesem Essen doch immer", schmunzelte er.
22.07.2387, 16:28 Uhr Stationszeit.
"Komm schon, Dad!" rief Eric, der mit Tara schon fast beim See angelangt war. Robert war stehengeblieben, sein Blick glitt den Konturen von Celestia entlang. Es war der höchste Berg der östlichen Hemisphäre von Delan V und seine steil emporragende, langgezogene und schneebedeckte Spitze ragte bis in die Wolken hinein. Er atmete tief durch. Der letzte Besuch seines Heimatplaneten und seiner Familie lag über drei Jahre zurück. Sternenbasis 129 befand sich zwar wesentlich Näher seiner Heimat als der letzter Beschäftigungsort, aber selbst bei Warp 9 dauerte eine Reise dorthin über zwölf Tage.
Damit seine Kinder wenigstens nicht ihre halbe Kindheit ausschliesslich in Konstruktionen aus Metal und Elektronik verbrachten, besuchte er mit ihnen regelmässig ein Holoprogramm ihrer Heimat, auf der sie bis vor fünf Jahren gelebt hatten. Rob besass auf Delan V ein Haus auf dem Land in der Nähe eines prächtig tiefblauen Sees, umsäumt von grünen Hügeln. Einmal mehr hatte er das Paradies verlassen, um sein Glück zwischen den Sternen zu suchen, denn er war ein Mann, der das Abenteuer brauchte, der regelmässig einen Adrenalinschub benötigte, um sich auch wirklich am Leben zu fühlen. Delan V war vorwiegend eine Kolonie von Künstlern und kein Ort, an dem es viel zu erleben gab. Kein Ort jedenfalls für Robert Michael Grey.
Sein Grossvater väterlicherseits war es, der an einen inspirierenderen Ort als die Erde ausgewandert war, wie er dies immer gerne betont hatte. Aber auch er besass dieses abenteuerliche Gen, denn er war viele Jahre in den Weiten der Galaxie unterwegs gewesen und hatte sich erst spät auf dem Planeten niedergelassen. Robert war oft mit weit offenem Mund neben seinem Grossvater gesessen, als dieser von den unglaublichen Dingen erzählte, die er erlebt hatte. Im Nachhinein wusste Rob nicht, was davon wirklich alles passiert war, aber andererseits traute er ihm zu, all dies tatsächlich erlebt zu haben. Und eigentlich war es auch gar nicht wichtig, was davon nun stimmte und was nicht, sondern nur um den Spass, den sie zusammen hatten und dass er damit die Abenteuerlust in seinem Enkel geweckt hatte. Von der Sternenflotte hatte er nicht viel gehalten, er verstand jedoch den Weg, den Robert einschlug und hatte ihn vor seinem Sohn auch stets verteidigt.
"Dad! Wir haben des Holodeck nur für zwei Stunden", hörte er Eric aus der Ferne rufen. "Ich komme schon", gab Robert zurück, während er sich langsam wieder in Bewegung setzte.
Der braunhaarige Junge und seine Schwester kamen ganz nach ihrer Mutter Miranda. Sie war eine grossartige, temperamentvolle Frau gewesen, mit langem Haar und ebenso braunen, ausdrucksstarken Augen, die wild funkelten, wenn ihr etwas nicht passte oder sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Trotz ihrer zierlichen Postur, hätte er es nie gewagt, sich mit ihr in einem solchen Moment anzulegen. Er hätte es auch niemandem geraten. Nur einmal hatte er sich aus gutem Grund gegen sie durchgesetzt und tatsächlich folgte sie seinem Wunsch, dem Krieg fernzubleiben und den Dienst verübergehend zu quittieren. Jedenfalls eine Zeitlang. Ihr unglaubliches Pflichtbewusstsein der Sternenflotte gegenüber hatte es nicht zugelassen, dass sie der Dinge harrte, während die Flotte jede Hand brauchte. Und so kam es, dass sie viel zu früh am Fusse des Berges Celestia ihre letzte Ruhe fand. Eine bekannte Geschichte eines Autors der Kolonie erzählte, dass dieser Berg der Turm des mächtigsten Gottes von Delan war und die Seelen der Toten über eine lange, steile Wendeltreppe den Weg in den Himmel fanden, wo sie dann über den Planeten und dessen Bevölkerung wachten, bis sie wieder mit ihren Liebsten vereint waren.
Seine Kinder plantschten bereits im See, während Roberts Blick noch einmal auf den hohen Berg fiel. Sein Gewissen plagte ihn, dass er nun so lange schon nicht mehr dort war. "Wir werden uns wiedersehen", sagte er leise zu sich.
22.07.2387, 21:52 Uhr Stationszeit.
Die Trompete dröhnte, das Schlagzeug gab eifrig den Takt vor und Robert haute in die Tasten, was das Zeug hielt. Im "Galaxy Hub" war es aber auch ohne Musik immer ziemlich laut, da jeden Abend reger Betrieb herrschte. Die Bar war den Jazzlokalen des 20. Jahrhunderts nachempfunden, das Licht schummrig und der Saal mit vielen kleinen Tischen besetzt. Nachdem er vor kurzem einmal für den Pianisten eingesprungen war, spielte er meistens ein oder zwei Stücke, wenn er hier war. Er freute sich über diese Gelegenheit, denn nur für sich und seine Kinder zu spielen, war ihm auf die Dauer etwas zu langweilig.
Das Publikum klatschte begeistert, als die letzten Töne gespielt waren. Robert überliess das Instrument wieder seinem eigentlichen Musiker und lief zu einem der hinteren Tische, an dem sich der Stationskommandant gerade wieder ein Glas des saurianischen Brandys eingoss. "Da warens nur noch zwei", kommentierte Rob die schon fast geleerte Flasche belustigt. Christopher Bennett lachte laut auf. "Immer noch, meinst du. Die erste schuldest du mir bereits seit" - er überlegte kurz - "15 Jahren." Die Miene des Sicherheitschef wurde etwas ernster: "Eine Ewigkeit."
Es schien ihm schon unendlich lange her zu sein, dass sie gemeinsam auf der U.S.S. Niobe gedient hatten. Bennett war damals erster Offizier, Grey war Sicherheits- und während des Dominionkrieges taktischer Offizier des Admiralschiffs der 5. Flotte gewesen. Sie waren einige der wenigen Überlebenden; weit über tausend Besatzungsmitglieder erlebten die erfolgreiche Rückeroberung von Deep Space Nine nicht mehr.
Irgendwie schien seit dem Endes des Krieges alles in weite Ferne gerückt zu sein. "Als ich Eric des letzte Mal gesehen habe, lag er noch in den Windeln", erwiderte Christopher, um dann anzufügen: "Und Tara sieht ihrer Mutter sehr ähnlich. Ich bin sicher, dass sie so wunderbar wird, wie Miranda." Roberts Gesicht zog sich wieder zu einem Grinsen: "Willst du in ein paar Jahren eine zweite Chance?" "Nein, keine Angst. Ich gehe schon auf die sechzig zu. Und ich würde bei ihr selbst mit vierzig bestimmt genauso abblitzen, wie damals bei ihrer Mutter. Aber ich bin froh, dass Miranda wenigstens im Freundeskreis geblieben ist." Robert lachte.
"Wieso hattest du mich über deine Rückkehr in den aktiven Dienst nicht informiert? Auf Sternenbasis 121 wäre sicherlich ein Platz frei gewesen", wunderte sich Christopher, der vor einem halben Jahr erst zufällig davon erfahren hatte. "Ich weiss nicht. Wahrscheinlich dachte ich, dass ich die Niobe hinter mir lassen kann. Aber es ist mir bis heute nicht gelungen." Der Stationskommandant nickte: "Ich weiss was du meinst. Man geht nie so ganz." Daraufhin erhob er sein Glas und sein Freund tat es ihm gleich.
"Auf die Niobe", erklärte Christopher. "Auf die Niobe", stimmte Robert mit ein.
23.07.2387, 01:41 Uhr Stationszeit.
Müde liess er sich auf sein Bett fallen. Eben hatte er zwei Stunden mit Tochter Holly gesprochen, die seit einem guten Jahr an der Universität von Tokio studierte. Sie war ihrem Vater sowohl äusserlich, wie auch charakterlich sehr ähnlich. Für eine Frau war sie äussert gross gewachsen und dass sie ihr Studium nicht auf Delan V absolvierte, sondern weit weg auf der Erde, war nur eine von wenigen Parallelen. Es fehlte nur noch, dass sie wie er einst das Studium abbrach und sich an der Sternenflottenakademie einschrieb. Er hoffte es nicht, da sie eine sehr talentierte Malerin war und bereits Eric seit einiger Zeit davon redete, Karriere bei der Flotte machen zu wollen. Auf die Entfernung konnte er dies aber schlecht einschätzen, selbst wenn sie oft miteinander sprachen. Er spürte, dass ihr die Geschwister fehlten, schien sich aber auf der Erde sehr wohl zu fühlen.
Eine seiner Erkenntnisse über das Universum war, dass es manchmal sehr klein sein konnte, aber dann war es auch wieder riesig gross, gerade wenn es um seine Familie ging. Manchmal wünschte er sich heimlich, dass er die Sternenflottenlaufbahn nie eingeschlagen hätte, aber dann dachte er an alles, was er dadurch schon erlebt hatte und an all die Abenteuer, die ihm noch bevorstanden. Es war nicht immer ein einfaches Leben, aber es war das, für welches er sich entschieden hatte - egal, was andere davon hielten. Es war das Leben, welches ihn jeden Tag aufs neue herausforderte, ihm eine Bedeutung gab, für das er aus seinem vorzeitigen Ruhestand wieder zurückgekehrt war - egal, was es von ihm verlangte. Es war das Leben eines Sternenflottenoffiziers, Vaters und Musikers.
Es war das Leben des Robert Michael Grey.